Noch Fragen?

Kennt Ihr das… Ihr stellt jemandem eine Frage. Ihr erwartet auch tatsächlich eine Antwort. Eine, die auf Eure Frage einfühlsam oder zumindest konversationsbereit eingeht. Zum Beispiel:

„Hallo… wie geht’s? Was hast du an?“

„Danke. Gut. Schuhe. Und selbst?“

Ich kenne sehr viele Menschen, darunter auch sehr liebe Menschen, die als Antwort gerne eine Frage als Gegenantwort produzieren. Im Chat meist mit einem lästigen Zwinker-Smilie  zusätzlich versehen. Vielleicht liegt es ja an mir, aber bei solche Antworten … da hab ich sofort den Kaffee auf.

Warum? Nun… Sokrates hatte die Frage als didaktische Methode eingeführt, bei der ein Fragesteller mit gezielten Fragen den Befragten zu selbstständig erörterten Antworten und Lösungen führt.

Wie fühlt man sich denn, wenn man eine ernst gemeinte Frage stellt, und der andere meint, mit einer Gegenfrage mich auf die Antwort führen zu müssen, sozusagen dozieren zu wollen?

Beispiel: Am Kartoffelstand: „Wieviel kosten die Kartoffeln?“ – Gegenantwort: „Was steht denn da auf dem Schild?!“ Der Verkäufer teilt mir also mit: Wenn Sie lesen könnten, müssten Sie mich nicht fragen und wir könnten best friends werden. Aber neeeein…. Dennoch halte ich verdutzt nach einem Schild mit dem Kartoffelpreis Ausschau – eine Ecke davon lugt zwischen den Kartoffeln hervor, ich grabe, finde den Preis, hasse aber den Verkäufer ein bisschen und seine Kartoffeln sowieso.  Außerdem fühle ich mich mit meiner Frage nicht ernst genommen, komme mir aber trotzdem dumm vor, dass ich nicht nach dem Schild gegraben habe. Ich gehe weg und kaufe keine Kartoffeln. Der Verkäufer ist ein Blödmann.

Zwinker-Smilies in Chats oder SMS bedeuten für mich: „Hey… das Gesagte bleibt unter uns.“ – Im Kontext einer Gegenfrage als Antwort auf die zuvor gestellte Frage, bedeutet es: „Hey… es bleibt unter uns, aber hier ist die Antwort, auf die du vielleicht selber hättest kommen können, wenn du  den Anruf- oder 50% Joker gewählt hättest. Warum beantwortest du dir deine Fragen nicht mit meinen offensichtlichen Antworten einfach mal selber?“

Diesbezüglich fühle ich mich in der Gegenfrage+Zwinkersmilie-Situation meist an zahlreiche Personen erinnert, die im Alter von ca. 14 bis 23 regelmäßig mit Augenverleihern, theatralischem Seufzen und entnervtem Tonfall pubertär klugscheißend geantwortet haben: „Weil…hätätätätää?!“

Es ist so: Eine Frage benötigt nur zur Klärung unverstandener Fragesegmente eine Gegenfrage. Beispiel:

Richtig: „Wie ist die die durchschnittliche Geschwindigkeit einer Schwalbe?“ – „Einer europäischen oder einer afrikanischen?“

Falsch: „Warum kommst Du nicht einfach vorbei und wir trinken einen Kaffee zusammen?“ – „Weil ich zu tun habe? ;)“

Falsch: „Magst du vorbeikommen und wir zocken was oder schauen einen Film?“ – „Nein? ;)“

Falsch: „Warum sehe ich dich durch mein Teleskop, wenn ich es auf den Mond richte?“ „Weil ich es so wollte? ;)“

Es ergibt sich das Problem: man ist in diesem Fall als Fragesteller immer der Dumme und die antwortende Person der dominante Part, der suggeriert, die Antwort war

A)     schon vorhanden und die Frage eh unnötig, du blödes, unsensibles Arschloch! Oder:

B)      unglaublich clever angelegt, weil er erfragte Informationen portionieren und den Fragesteller damit füttern, anfixen, zum Ok-ich-zieh-dir-die-Antworten-aus-der-Nase-Fragespiel animieren kann.

In beiden Fällen A und B ein absolut unsensibler Verstoß gegen die konventionelle Gesprächsführung, in der beide Gesprächspartner auf Augenhöhe miteinander kommunizieren und gleichberechtigt sind. Gleiches gilt auch für Chats.

Was könnte als Konsequenz passieren?

Man stellt einfach keine Fragen mehr und initiiert auch so kein Gespräch mehr. Das könnte dann falsch verstanden werden, zb als mangelndes Interesse. Aber das ist dann ein anderes Problem und kann an anderer Stelle erörtert werden.

Man sagt dem anderen, dass man das Verhalten bescheuert findet, hat ihn aber trotzdem gern, auch wenn er doofe Ohren hat.

Man antwortet nicht mehr auf Augenhöhe, das Gespräch verläuft nicht mehr gleichberechtigt, sondern respektlos. Wie Du mir, so ich Dir.